Kohlemasse-Widerstände
Es gibt viele Namen für diese Bauteile: "Carbon-Composit" - "Kohlemasse" - "Kohlepress" - Widerstände:
Ich nenne sie hier mal "die Pest" unter den Elektronik-Bauteilen.
So zumindest mein "Verständnis" zu diesen Widerständen.
Warum?
Früher war alles besser?
Nö. Vieles vielleicht, aber nicht alles... schon gar nicht diese Schätzelemente wie Kohlemasse-Widerstände.
Diese Widerstände wurden in den Elektronik-Anfangsjahren bis etwa in die 70er Jahre massenweise in Geräte der Unterhaltungselektronik wie Radios und Fernsehern verbaut. Auch später wurden aus Kostengründen die billigen Dinger noch oft, zu oft, verwendet.
Beachtlich dabei ist, dass viele von den alten Kisten heute noch laufen, obwohl sich die ollen Kohlemassewiderstände und Becherelkos schon weit außerhalb der Bauteiltoleranz befinden. "Läuft doch noch..."
Diese Widerstände waren "damals" günstig und in großen Stückzahlen zu produzieren. Solange man keine eng tolerierten Teile benötigte, "war" das ok. Kohlemassewiderstände haben Toleranzen von mindestens 5% oder mehr - Präzision sieht anders aus - warum das so ist, dazu später mehr.
ABER: Nicht nur die hohen Toleranzen, auch das miserable Temperatur- und Spannungsverhalten sowie das von diesen Teilen erzeugte Rauschen war ein Problem. Dazu kommt die durch Alterung langsam hochohmig werdenden "Kohlebunker".
Es soll ja heute noch Leute geben, die auf diese Dinger schwören und diese Teile sogar in den Signalweg bauen...Igitt...
Warum nur? ich verstehe es nicht... Diese Teile sind immer noch zu haben, aber nicht mehr so günstig wie früher, dafür bezahlt man nun den "Mindermengenaufschlag" oder auch "Esoterikbonus". Alle großen Distributoren führen diese Teile schon lange nicht mehr - Seriöse Händler machen da einen Bogen drumrum - warum wohl?
Es macht keinen Sinn, sich mit diesen Dingern noch zu befassen, da der einzige damalige "Vorteil" - also der günstige Preis - heute nicht mehr existiert.
Ein sehr ähnliches "Funktionsprinzip" haben Kohlemikrofone, wie sie in uralten "Festnetztelefonen" mit Wählscheibe, wie z. B. dem W48 verwendet wurden. Wer auf "Retro", "Rauschen" und "Knistern" steht, kann sich das mal reinziehen. Damals gab es dafür leider noch keine Alternativen.
Hier zunächst ein paar Links, die meine These untermauern:
http://www.elektronikinfo.de/strom/widerstand.htm#Kohlemassewiderstand
https://www.electronics-tutorials.ws/de/widerstande/widerstands-typen.html
https://www.tube-town.de/ttforum/index.php?topic=8534.0
Warum nun Metallschicht- oder Metalloxidwiderstände "schlechter" "klingen" sollen als die Kohlepress, konnte mir niemand schlüssig erklären. Manche versuchen das über die "Induktivität" zu erklären.. Hallo? Wir reden hier von wenigen Nano-Henry (nH) - das hat im Audio-Frequenz-Bereich keinerlei Auswirkungen - da erzeugt jeder Zentimeter Draht mehr Induktivität...
Gutes Schaltungsdesign zahlt sich hier definitiv mehr aus als esoterische Retro-Bauteile.
Ich habe mal meinen Fundus durchgesehen und die alten Dinger aussortiert - fürs Museum.
Hier mal ein paar Beispiele:
100 kΩ Kohlepresswiderstand - altersbedingt bereits bei 163 kΩ, also 63% über dem Sollwert:
Äußerlich sieht der Widerstand ok aus, keine Brandstellen, keine Verformungen.
Selbst ein genauso alter Kohleschichtwiderstand - ebenfalls mit 100 kΩ - liegt noch nach 50 Jahren locker in seiner Toleranz:
Nun könnte man meinen - ja, der Kohlebunker ist ja gebraucht...
Bitte sehr: Neuer, unbenutzter 100 Ω - Kohlepress:
Der silberne Ring auf dem Widerstand bedeutet 10% Toleranz - Dieser Kandidat hat mehr als 20% - also für die Tonne!
Und ja: Das Multimeter ist genau genug - Abweichung im Widerstands-Messbereich: <0,5% unterhalb 220kΩ
https://www.pollin.de/productdownloads/D830346B.PDF
Und ich habe eine ganze Dose von diesen Kohlepress-Widerständen, die fast ausnahmslos solche dubiosen Werte haben.
Fazit:
Finger weg von diesen Teilen! Verwendet bitte ordentliche Metallschicht- oder Drahtwiderstände. Auch als Sicherungs-Ersatz sind diese Kohle-Dinger nicht zu gebrauchen - wofür gibt es eigentlich Sicherungen...
Wer diese Widerstände heute noch guten Gewissens einsetzt, handelt grob fahrlässig und möchte "seine guten Kunden" nicht verlieren, weil die wiederkommen, wenn das Gerät irgendwann streikt...Oder sich komisch anhört oder riecht...oder...
Merke:
Ordentlich konzipierte Elektronik verschleißt nicht, auch nicht nach 30 Jahren - Wenn doch, dann wurde an den Teilen gespart oder schlicht falsch dimensioniert. Ausnahmen sind hier nur mechanische Elemente wie Schalter und Relais sowie Elektronenröhren.