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elektor Mini-Crescendo

Mein erster "richtiger" Verstärker, den ich selbst gebaut habe. Das Konzept dieser Endstufe stammt aus dem elektor-Heft Dezember 1982 - Crescendo - die etwas kräftigere Version meines Verstärkers mit je 4 DMOS-FETs pro Kanal und getrennten Netzteilen. Die Mini-Variante wurde im Mai 1984 in elektor veröffentlich.

1982 - Da war ich gerade mal 13 Jahre jung...Aber schon an Elektronik und dem selbst bauen von Lautsprechern und Verstärkern interessiert. Allerdings konnte ich mir den "echten" Crescendo damals nicht leisten. Also habe ich mir dann das Geld für die Teile des "Mini-Crescendo" zusammengespart und ihn dann auch gebaut. Auch das Gehäuse habe ich aus 3mm starken Aluplatten selbst gebaut. Der Verstärker hat jahrelang seine Dienste erbracht und klingt auch heute noch, nach einigen kleineren Reparaturen wirklich gut und hat genug Leistung.

Mini Crescendo

Für Ungeduldige hier der Link zum elektor-Artikel: https://www.elektormagazine.de/magazine/elektor-200905/3233

Das Schaltungs-Design ist schlicht und einfach: Man nehme einen doppelten Differenzverstärker mit bipolaren Transistoren, hänge eine Kaskodestufe mit Videotransistoren zur Spannungsverstärkung hinten dran und Würze das Ganze am Ende mit Hitachi-MOSFETs im TO3-Gehäuse für den nötigen Strom am Ausgang. Fertig.

Schaut man sich den Schaltplan genauer an, ist das wirklich so. Kein Schnickschnack, keine Magie, keine Zauberei.

Schaltplan Mini-Crescendo

[Ein Klick auf den Schaltplan öffnet diesen in voller Größe in einem eigenen Fenster.]

Selbst für die Ruhestromeinstellung der Endtransistoren gibt es nur ein einziges Bauteil: Ein Trimmpoti.

Auch heute noch meine Devise: KISS - Keep it small & simple. Was nicht vorhanden ist, kann auch nicht kaputt gehen.

Einige wenige Verbesserungen gegenüber dem "dicken" Crescendo gab es dann doch: die Drahtwiderstände an den Sources der FETs wurde durch einzelne, induktionsarme Metallfilmwiderstände ersetzt. Des Weiteren hat man die unterschiedlichen Gate-Kapazitäten der eigentlich komplementären MOSFETs mit zusätzlichen Kondensatoren "symmetriert". Sonst wurde bis auf die Höhe der Betriebsspannung und Netzteilauslegung nichts geändert.

Genau wegen diesen Drahtwiderständen im großen Crescendo kam es bei "instabilen" und "komischen" Lasten immer wieder zu Schwingneigungen, die aufgrund der unterschiedlichen Gate-Kapazitäten der MOSFETs und den "Drahtspulen" aufgetreten sind. Man sollte als Besitzer eines Crescendos dies mal prüfen und ggf. den "Workaround" nachrüsten.

Ein Nachbau dieser Endstufen in der heutigen Zeit dürfte an den kaum noch zu beschaffenden End-Transistoren scheitern. Die FETs 2SK135 und 2SJ50 sind als Originalteile von Hitachi schon seit Jahren nicht mehr zu bekommen. Es gibt nur wenige Restbestände, die zu horrenden Preisen gehandelt werden.

Achtung: Es gibt jede Menge Fälschungen von diesen und auch anderen Transistoren auf dem Markt. Gerade wenn Preise deutlich unter 30,- € pro Stück aufgerufen werden, sollte man skeptisch sein. Hier ist es fast besser, man passt die Schaltung an moderne Vergleichstypen an (Stichwort: Crescendo "Millennium Edition") und verwendet diese, anstatt mit Fälschungen zu hantieren und sich seine Lautsprecher zu ruinieren!

Allgemein sollte man bei solchen Projekten nicht an den Bauteilen sparen. Auch nicht bei Kleinteilen wie Widerständen und Kondensatoren. Ein gewisse "Überdimensionierung" kann dabei nicht schaden. Aber: Man muss wissen, was man tut. Widerstandswerte einfach mal so ändern is nich. Was man blind machen kann ist z. B. die Spannungsfestigkeit der Elkos eine Nummer höher auswählen, oder die Transistoren der Vorstufe zu selektieren (gleicher hfe des Viererpacks T1-T4) oder anstatt der beiden antiseriell geschalteten Elkos C4 und C5 einen einzigen Folienkondensator einsetzen (wenn man denn Einen mit 100uF bekommt).

Wichtig auch: die Verkabelung der Platinen mit dem Rest. Das Netzteil baut man zweckmäßig auf.

Kaltgerätebuchse, Netzsicherung und Netzfilter (kann man auch als Einheit kaufen) - von da zum 2-poligen Netzschalter - weiter zur Primärwicklung des Netztrafos. WICHTIG: Der Schutzleiter der Kaltgerätebuchse muss am Gehäuse angeschlossen werden! In der Regel verbindet man auch die Schaltungsmasse mit dem Gehäuse. Wenn der Netztrafo der Schutzklasse 2 entspricht. kann man die Schaltungsmasse auch vom Gehäusepotential trennen. Hier sollte man aber, um Brummen und Einstreuungen zu vermeiden die "beiden Massen" über ein RC-Glied (Widerstand bis max. 1kOhm und Folienkondensator X2 -mit 220nF parallel) verbinden.

Die Sekundärwicklung des Trafos sollte eine Mittelanzapfung haben. Der Trafo hat hier 2x35V und mindestens 2x4A. Die Mittelanzapfung wird auf die Schaltungsmasse gelegt, die beiden äußeren Enden der Trafowicklung kommen an die Wechselspannungsanschlüsse eines Brückengleichrichters. Der Gleichrichter sollte eine Metallbrücke sein, deren isoliertes Gehäuse man direkt auf das Bodenblech des Verstärkers schrauben kann. Er sollte mit mindestens 160V~ und 10A belastbar sein. Größere Modelle schaden hier nicht, da sie kaum teurer sind. Von den Gleichspannungsanschlüssen des Gleichrichters geht es nun jeweils auf einen Elko. Der positive Anschluss auf den Pluspol des positiven Elkos. Der negative Gleichrichteranschluss kommt auf den Minuspol des negativen Elkos. die beiden anderen Pole der Elkos (der Minuspol des positiven Elkos und der Pluspol des negativen) kommen dann zusammen auf Masse. Hier befindet sich der zentrale Massepunkt des Verstärkers. Das kurze Stück zwischen den beiden Elkos sollte man mit einer ordentlich dicken Kupferschiene ausführen und in der Mitte eine zentrale Schraube eindrehen, an der sich dann alle Masseverbindung treffen. Das wären: Die Massen der Endstufenplatinen, die Mittelanzapfung der Trafowicklung (s. o.), die Verbindung zum Gehäuse, die Verbindung zu den Lautsprechern. Um Brummen zu vermeiden, das man sich über die abgeschirmten Eingangsleitungen einfängt, (Masseschleife innerhalb des Verstärkers) kann man auch die Eingangsleitungen an diesem Massepunkt vorbeiführen (nicht elektrisch verbinden, sondern nur mechanisch dort hinlegen und dann weiter an die Eingangsbuchsen führen).

Wer genau hinschaut, findet auch meine "kleinen Änderungen", die ich gegenüber der Originalschaltung vorgenommen habe. Anstatt der Z-Dioden für die Kaskoden-"Betriebsspannung" habe ich je 2 rote LEDs in Reihe geschaltet. Was das für eine Sinn hat, weiß ich heute nicht mehr, man kann aber optisch erkennen, ob da "was fließt" - vielleicht war das der Grund. Auch für die Strombegrenzung der Endtransistoren habe ich jeweils eine zusätzliche LED in die Leitung gehängt...

Die niederohmigen Widerstände (10 Ohm) in der Masseleitung zwischen Eingangsmasse und Endstufenmasse habe ich irgendwann mal mit Drahtbrücken "verstärkt", da mir mal einer der beiden abgeraucht war (weiß auch nicht mehr warum, aber egal - der Funktion tut das keinen Abbruch). Sonst ist alles "nach Plan".

Auf der rechten Außenwand ist noch ein kleines Zusatznetzteil mit 12V-Längsregler und Relais zu erkennen. Damit konnte man den Verstärker "remote" - also fernbedient über die Vorstufe, die ich damals hatte (Denon PRA-1500) einschalten. Beim Betrieb ohne Vorstufe tut das der Tastschalter an der Gehäusefront mit eingebauter Glühlampe.

Da die Vorstufe damals ordentlich Pegel fabrizierte - 2V und mehr - habe ich noch kleine 25k Trimmer vor die Eingänge geschleift, damit man den Pegel etwas absenken konnte.

Update:

Vor einigen Tagen, es war so um Anfang Juli 2018 rum, habe ich die Kiste mal geöffnet und die Bilder hier gemacht sowie mal den Ruhestrom kontrolliert und mal kurz die Leistung gemessen. Der Ruhestrom lag noch immer bei 100mA Pro Transistor und die Leistung bei 2x80 W Sinusdauerleistung zwischen 5Hz und 40kHz - Also alles in Butter.

Hier noch ein Paar "Nahaufnahmen":

Mini Crescendo 2

Gut zu sehen, meine "Drahtbiegetechnik" mit dem H07V-U mit 4mm² - das muss zu meiner Ausbildungszeit Mitte der 80er Jahre entstanden sein :-)

Mini Crescendo 3

Auch wenn die Aufdrucke auf den Endtransistoren fehlen: Das sind echte Hitachi-MosFETs - 2SK135 und 2SJ50!

Mini Crescendo 4

Auf den großen Netzteil-Elkos kann man noch die Produktionswoche und das Jahr erkennen: 11.85 - KW11 im Jahre 1985

Mini Crescendo 5

Das Zusatznetzteil mit einem kleinen Entstörfilter und dem Relais sowie dem 12V-Längsregler 7812 - Dieser wurde an die Seitenwand geschraubt (oben noch im Schatten erkennbar). Falls jemand eine Primärschmelzsicherung sucht: Ja die gibt es , befindet sich unter dem 14V-Trafo. Bin ja nicht lebensmüde!

 

Noch was zum Nachbau:

Wer mit modernen Bauteilen versucht, diesen "Retro"-Verstärker nachzubauen, wird irgendwann vor einem dubiosen Problem stehen, das vielleicht auf den ersten Blick nicht ersichtlich wird.

Die Hitachi-MOSFETs in der Ausgangsstufe haben gegenüber den heutigen Transistoren den Vorteil, dass sie beim Ruhestrom von etwa 100mA einen negativen Temperaturkoeffizienten haben. Das heißt, wenn die Transistoren sich erwärmen, sinkt der Strom bei sonst gleich bleibender Gate-Source-Spannung. Daher reicht in der Schaltung ein einfaches Trimmpotentiometer für die Ruhestromeinstellung.

Moderne MOSFETs haben aber leider einen positiven Temperaturkoeffizienten und benötigen daher in der Ruhestromeinstellung auf jeden Fall weitere Bauteile, die ein Weglaufen des Ruhestroms verhindern. Das bedeutet natürlich weiteren Aufwand, der auf die ursprüngliche Platine nicht drauf passt. Auch sollte man sich von gefälschten Transistoren nicht veräppeln lassen - Es gibt tatsächlich MOSFETs, die als gefälschte "Markenware" mit den alten Bezeichnungen vertrieben werden und zwar "funktionieren" aber nicht die ursprüngliche Spezifikation aufweisen. Das merkt man spätestens dann, wenn sich der Ruhestrom nicht einstellen lässt und immer weg läuft oder der Verstärker einfach so defekte Transistoren produziert. Dann ist Ärger vorprogrammiert.

Also: Wenn man keine originalen Hitachi MOSFETs mehr bekommt, sollte man vom Nachbau diese Verstärkers absehen.

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